Sonntag, 12. Juni 2011

Abschlussgedanken - Aber nicht der letzte Blog

Wow, das hier ist ganz schön schwer. Wie soll ich die letzten vier Monate zusammenfassen oder über sie reflektieren, wo sie doch so anders, interessant, herausfordernd und bewegend waren. Naja, als erstes denke ich sollte ich erwähnen dass ich eine kleine Abschiedsparty für die Kinder geplant habe. Wir werden selbst gemachten Bananenkuchen, Eis, und Wassermelone essen, dann werden die Kinder wohl etwas singen und tanzen. Und anschließend gebe ich den Kindern ihre Geschenke. Das Verteilen läuft wie in einer Tombola. Die Kiddies müssen eine Nummer ziehen und dürfen sich dann ihr Paket nehmen. In jedem Paket sind drei Kleinigkeiten, so etwas wie ein Haarreifen, Armbänder und ein Lipgloss. Dazu gibt es eine Karte, Fotos, und ein Freundschaftsarmband für jeden. Ich denke es sollte lustig werden, wobei natürlich auch eine riesige Wehmut mitschwingt.



Naja, nun also zu den letzten vier Monaten. Was soll ich sagen? Ich hab so vieles zu sagen, aber ich will damit beginnen meiner Familie zu danken. Ohne sie hätte ich es nie geschafft. Egal wo ich gerade in der Welt unterwegs bin, sie sind immer für mich da und unterstützen mich. Sie geben mir Kraft wenn ich gerade keine mehr habe, sie hören mir zu, lachen und weinen mit mir. Ich hätte die vier Monate nie ohne sie durchgehalten. Natürlich gibt es auch ein paar Freunde die immer wieder mit mir geskypt haben, die nach mir gefragt haben, und die quasi mit mir durch diese Zeit gegangen sind. Ich will euch allen danken, dass ihr mich unterstützt habt. Ihr konntet auch über meine Aktivitäten hier lesen, das Backen, Malen, Singen, Spielen, Toben, etc. und natürlich geht auch hier der Dank an meine Familie, besonders meine Eltern. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass sie mich so großgezogen haben wie sie es taten. Sie haben mir so vieles gezeigt und beigebracht haben. Sie leben auch ihr eigenes Leben beispielhaft.  Ihr seid meine Vorbilder!



Das Leben hier war nicht immer leicht, aber wenn man drüber nachdenkt wann ist es denn schon jemals wirklich leicht? Egal wo wir sind, es werden immer ein paar Hindernisse in unseren Weg gelegt, manche sind größer als andere. Alles im Leben ist aber relativ. Die Zeit hier vegeht zum Beispiel zehn mal langsamer als wenn ich zu Hause bin, und doch vergeht sie natürlich überall gleich schnell. Alles hier ist auch super billig (wenn man weis wo man hin muss). Aber nach ein paar Wochen gewöhnt man sich leider daran. Dann kommt es einem wie ein Vermögen vor wenn man mehr als 7 Euro für ein Mal einkaufen ausgiebt. Menschen gewöhnen sich im Allgemeinen schnell an ihre Umgebung. Und ich denke das ist auch oft gut so, denn nur so können Menschen mit Tragödien und schwierigen Zeiten umgehen. Erst scheint alles schrecklich doch dann gewöhnt man sich daran. Auch bei mir ist es schon immer so gewesen. Erst ignoriere ich alle Schwierigkeiten und versuche einfach drüber zu arbeiten. Das klappt natürlich nicht lange und dann werde ich wütend und verabscheue die Umgebung. Doch nach ein paar Wochen fange ich an die Dinge zu akzeptieren, nicht gegen sie anzukämpfen. Ich fange an mich mit den Umständen zu arrangieren und schließlich, nach ungefähr 2.5 Monaten fange ich an richtig zu leben, und die Dinge sogar zu genießen. Die Zeit hört nie auf zu ticken egal was wir tun. Wir können rumsitzen und anfangen alles um uns rum zu verabscheuen aber wir können auch versuchen das Beste daraus zu machen, denn letztendlich – in zwei, drei Wochen – sieht die Welt wieder ganz anders aus. 




Aber da gibt es auch ein Problem mit der Gewohnheit. Manchmal denke ich es ist eben nicht so gut dass wir uns an so vieles gewöhnen, so vieles als selbstverständlich ansehen. Wie oft bleibst du auf dem Weg zur Arbeit stehen und schaust dich um? So richtig umschauen, nach oben, nach hinten, zu allen Seiten? Bemerkst du die spielenden Kinder am Straßenrand? Die alte Dame die sich mit ihren Einkaufstaschen abmüht? Hast du je den tollen Baum bewundert der so schöne Blüten trägt im Nachbarsgarten? Die meisten müssen sich wohl eingestehen dass sie diese Dinge nicht wahrnehmen. So oft rennen wir an den kleinen Wundern der Welt vorbei. Wir schauen nicht auf, wir bleiben nicht stehen. Wir haben unsere Köpfe immer mit irgendetwas anderem voll und wir sitzen, stehen, gehen nie einfach mal so... Weil wir eben denken wir wissen eh was um uns rum passiert, wir gehen den Weg ja jeden Tag... (Lektion gelernt: Einfach mal eine Pause machen, sich umschauen, Dinge wahrnehmen und sich an ihnen erfreuen)

Zum Beispiel dieser wunderschöne Baum
in Mitten von all den stinkenden Taxis 
Ich muss auch sagen dass ich schon irgendwie etwas stolz bin auf die letzten vier Monate. Ich mein ich wollte schon in der dritten Woche aufgeben und doch habe ich es mal wieder durchgehalten. Und ich denke ich habe die Zeit gut verbracht. Wenn ich da an die Praktikanten denke die vorzeitig abgebrochen haben oder die einfach zwei Monate zum Sightseeing gegangen sind, dann weis ich auch dass es nicht sooo einfach war. Also bin ich stolz. Und doch, worauf bin ich stolz? Dass ich es hier vier Monate „ausgehalten habe“ während andere hier aufwachsen und ihr ganzes Leben hier verbringen? Toll gemacht Annika.

Heera ist mein Knuddelbär
Ich habe nicht alles erreicht was ich vorhatte. Ich hatte diese Idee, dass ich so viele Dinge lernen werde, so viele Dinge bewegen und vielen Menschen helfen werde. Ich wollte an meinem Character arbeiten, wollte offener werden für andere Kulturen, Menschen, Gewohnheiten. Aber das einzige was ich erreicht habe, meiner Meinung nach, ist dass ich mich selbst besser kennen gelernt habe, insbesondere meine Schwächen. Ich konnte nicht so helfen wie ich es gerne gehabt hätte und ich glaube ich bin auch nicht viel offener geworden für andere Kulturen. Und doch, seine eigenen Schwächen zu kennen ist auch sehr wichtig. Ich weis an was ich zu arbeiten habe, wo es „mir fehlt“, und ich denke das ist auch ein gutes Resultat.

Viel Nudeln für viele Kinder,
serviert von der lieben Roma!
Natürlich hatte ich tausende von super Erlebnissen, und vielleicht dutzende von nicht so guten J Ich habe so vieles über die Kultur gelernt, über andere Menschen, ihre sozialen Rollen, habe gelernt mit fremden Leuten zu kooperieren, mit Menschen zu arbeiten die mich nicht verstehen (sprachlich und inhaltlich). Und ich habe gelernt den Mund zu halten wenn es von mir erwartet wird : ) So viele Bilder, Szenen, Gerüche, Geräusche, Eindrücke werde ich nie vergessen können. Wie könnte ich die weinende Großmutter meines Patenkindes, die mich so lieb umarmt hat, vergessen? Das Lachen der Kinder im Karunakinderhaus, während sie mit mir spielten, sangen, hüpften, tobten, weinten und lachten?  Den Tanz der Kindergarten Kinder in der Schönebeck-Stiftung Schule in Makwanpur? Das Lied über Freiheit gesungen von den befreiten Kamalri Mädchen in Dang?

Lustige Zeiten


Ich kann sie natürlich nie vergessen. Die Zeit hier hat mich geprägt und verändert. Und doch gibt es eine Sache die mir hier ständig gefehlt hat. Etwas für das ich alles Geld der Welt ausgegeben hätte. Dieses etwas habe ich mir fast jeden Tag herbeigesehnt und oft habe ich daran gedacht wie viel besser alles wäre wenn ich es hätte. Alles wäre nochmal so toll gewesen und ich hätte es besonders gebraucht in all den lustigen, fröhlichen, und traurigen Momenten. Ich spreche natürlich von einem „Freund“. Ein(e) Freund(in) der/die all diese Erlebnisse mit mir geteilt hätte. Natürlich habe ich fast jeden Tag mit meiner Familie gesprochen/geschrieben und ich habe ihnen von vielem erzählt. Und doch ist es nicht das selbe. Ich hätte oft gerne über die Erlebnisse gesprochen, sie diskutiert, andere Meinungen gehört, aber das meiste habe ich eben alleine erlebt und andere können nur meine subjektive Sicht mit mir teilen. Versteht mich nicht falsch, es waren tolle Erlebnisse und ich bin froh dass ich sie gemacht habe, aber ich habe eben manchmal das Gefühl dass sie jetzt im nachinein nicht viel Wert sind, schließlich existiert alles nur in meiner Erinnerung. Teilt man die Erlebnisse mit jemandem, so kann man später immer mal wieder sagen: „hey weist du noch...“ Wenn ich mit jemandem über ein Erlebnis reden will muss ich erst alles so genau beschreiben wie nur irgendwie möglich damit sich der andere in die Situation hineinversetzen kann....

Hier habe ich mit Anil's familie Hau Ruck gespielt.
Anil ist ein Mitarbeiter der mich zu den Makwanpur Reise begleitet hat.
Und deshalb bin ich auch so froh jetzt wieder nach Hause zu dürfen. Zurück zu Menschen die mich schätzen, akzeptieren so wie ich bin, die mich lieben. Menschen die mich als gleichgesinnte sehen und nicht als Außenseiter, Menschen die meine Sprache verstehen und meine Handlungen. Ich steige sogar direkt am Münchner Flughafen in einen Zug nach Salzburg. Denn meine Eltern und meine kleine Schwester Lydia verbringen gerade ihre Ferien in Österreich. Es wird eine Überraschung werden für Lydia und deshalb habe ich auch bisher nichts darüber erwähnt. Das heißt ich werde letztendlich erst am Samstag wirklich in mein Kindheitszimmer zurück kehren! Ich freu mich schon so auf alles.

Ich habe vor nächste Woche nochmals zu bloggen. Vielleicht dann das letzte Mal. Ich will euch aber definitiv noch ein paar Bilder von der Abschiedsfeier zeigen. Also schaut nochmals rein. Jetzt will ich dir aber nochmal „Danke“ sagen. Allein damit dass du den Blog verfolgt hast hast du mir gezeigt dass dich meine Erfahrungen interessieren und das gab mir Kraft immer wieder neue zu machen. Wenn ich wieder in Deutschland bin, sei es dir erlaubt mir tausend Fragen zu stellen, nein, es ist sogar erwünscht. Ich habe auch über 5000 Bilder zu zeigen : )

Bananen Kuchen für die Kiddies

Ich möchte diesen Blog mit einem Zitat beenden. Dieses Zitat fasst zeimlich gut zusammen was ich in den letzten vier Monaten gelernt habe:


„Was man im Leben macht ist nur die eine Hälfte der Gleichung, der andere Teil, die wichtigere Hälfte, ist mit wem man diese Dinge zusammen erlebt.“

 

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